YES YES YES YES
Installation / Vier Objekte als Ensemble mit Sound / Stimme
Die Installation geht auf eine Reihe kleinerer Arbeiten zurück, die sich spielerisch mit „Beziehungen“ auseinandersetzen, indem sie aus den gleichen Grundmodulen immer wieder neue Konstellationen bilden. Durch die Größenveränderung erhalten die kleinen Objekte einen neuen Charakter: Sie werden offen und korrespondieren sowohl mit der Umgebung, in der sie platziert werden, als auch mit den Menschen, die mit Ihnen in Kontakt treten. In jedem modularen Objekt befindet sich eine Stimme (Lautsprecher), die in einem ermutigenden, verführerischen Ton „Ja“ sagt. Die Stimme bewegt sich im Kreis von einem Objekt zum anderen und lädt die Besucher*innen so ein, dem Klang zu folgen, indem sie die Installation betreten und in einem endlosen Kreis – oder besser gesagt: Quadrat – immer wieder durch es hindurch wandern.
YES
Installation mit Sound / Stimme
Die Arbeit entstand für die Ausstellung “Forming Communities” (Kindl – Zentrum für zeitgenössische Kunst, Berlin). Einige Gedanken zur Arbeit im Kontext der Ausstellung: Panoptismus… der französische Denker Michel Foucault führte diesen Begriff ein, um seine Vorstellung von Macht zu beschreiben, einer Art von Macht, die nicht von einer zentralen repressiven Behörde ausgeübt wird. Vielmehr haben wir sie über Institutionen, Gesetze, Verordnungen, allgemeine gesellschaftliche Normen darüber, „was man tun sollte“ und „was man nicht tun sollte“, usw. verinnerlicht. – und zwar in einem Ausmaß, dass es letztlich keiner zentralen Autorität mehr bedarf, um uns zu regulieren. Wir selbst sind zu unserem eigenen Instrument unserer Unterdrückung geworden.
Was mich an der Arbeit „YES“, so wie sie hier im Kontext der Ausstellung präsentiert wird, interessiert: Sie ruft Verschiedenes in mir wach, lässt mich letztlich aber im Unklaren darüber, was sie eigentlich ist oder von mir will. Beim Betreten der Ausstellung bin ich irritiert: Ein weißer Kasten steht im Weg, gleich am Eingang, wie eine Schleuse: Ist das ein minimalistisches Kunstwerk? Oder ein Security Check? Soll ich hindurchgehen? Muss ich vielleicht sogar? Plötzlich ertönt eine Stimme, laut und nachdrücklich sagt sie „YES!“. Aber “Ja” wozu? Zum Hindurchgehen, zum Außen-herum-Gehen? Oder zu mir im Allgemeinen als Mensch? Ich gehe weiter. Sehe mir die Ausstellung an. Erst nach und nach, mit dem Vergehen von Zeit, wird mir klar: Die Stimme, die aus dem Objekt kommt, interessiert sich gar nicht für mich. Sie folgt einem eigenen Takt. Ihrer eigenen kalten Logik, nicht der des Individuums.
Das Objekt „YES“ ist in gewisser Weise anonym. Und so ist auch seine Urheberschaft. Es wurde nicht so sehr von mir, dem Künstler, geschaffen, sondern eher durch seine Umgebung – seine Platzierung direkt am Eingang von „Forming Communities“. Das Anliegen der Ausstellungskuratoren ist es, in Berlin ansässige chinesische Künstler und ihr künstlerisches Netzwerk zu präsentieren sowie zum Nachdenken über politische und soziale Fragen anzuregen, sei es in China oder hier in Deutschland. Während der Arbeit an „YES“ musste ich persönlich aber oft an etwas weniger Konkretes denken… an Franz Kafkas “Türhüterparabel“. Diese Geschichte, in der ein Mann, der nach Gerechtigkeit sucht, vor dem Tor des Gesetzes steht und wartet. Schließlich ist er alt und im Begriff zu sterben. Mit seinem letzten Atemzug fragt er, warum er nie eingelassen wurde. Der Torwächter antwortet: „Nun, du hast ja nie versucht, hindurchzugehen!“
WORDS + OBJECTS
Objekte / Modelle / Fotocollagen
Die Arbeiten aus der Reihe „Words + Objects“ basieren auf einem einzelnen Element, das nur leicht variiert wird (ohne Wand, mit Wand, mit Wand seitlich, mit transparenter Wand oder massiver Wand). Die einzelnen Elemente werden verschieden kombiniert. Sie formieren Zweier, Dreier oder Vierergruppen. Formal erinnern sie an die U.S.Amerikanische Minimalkunst der 1960er und 70er Jahre. Diese gab sich bewusst industriell und wollte reine Form ohne Aussage sein. In ironischer Bezugnahme kehren die Objekt-Formationen aus „Words + Objects“ diesen Gedanken um: Sie ergeben formal, wie ganz konkret, im Sinn von Wörtern, bewusst „lesbare Formationen“ die ebenso als Relationen zwischen Objekten wie zwischen Menschen interpretiert werden könnten. (Abbildungen oben: Ausstellungsansichten “ein kleines Stück Unsichtbarkeit”, 2021 / Acht Konstellationen aus Elementen auf MDF Sockeln / zugehörige Bild-Gedicht Collagen an Wand.)
ME / YOU / MAY-BE
Fotocollage aus einer Serie von insgesamt ca. 20 Fotocollagen
Parallel zu den Objekten aus der Reihe WORDS+OBJECTS entstanden Fotocollagen, die die Sprache der Objekte in lesbare Gesten übersetzen. Die Collagen bestehen aus einfachen Permutationen: der Titel eines Objekts wird mittels Handgesten in einer Zeile in mehreren Bildern “Wort für Wort” widergegeben. Die Reihenfolge der ersten Zeile wird in den drauf folgenden Zeilen vertauscht. Auf diese Weise entstehen Fotocollagen, die zugleich als Bild betrachtet, wie als Text gelesen werden können.
WORDS + OBJECTS / PERFORMANCE
Serie von ca. 20 Fotocollage; gelesen im Rahmen einer live-Performance
Eine weitere From der Übersetzung – vom Objekt ins Bild, vom Bild in Sprache – stellt die gesprochene Variante im Rahmen einer live-Aufführung dar: 4 Sprecher*innen sind in einem Raum verteilt. Jeder Sprecher*in ist ein Wort zugeteilt (bzw. eine festgelegte, limitierte Auswahl an Wörtern). Das Bild bzw. der Text wird verräumlicht gelesen, wobei aus jeder Ecke des Raumes immer ein bestimmtes Wort zu hören ist (bzw. die festgelegte, limitierte Auswahl an Wörtern). Oben im Bild: Index zu WORDS + OBJECTS / PERFORMANCE .
WALDSPAZIERGANG
Video: ca. 45 min / Gefilmt alle ca. 10 Jahre / Bisher: Drei Videos aus den Jahren 2001 / 2010 / 2019
Ein Mensch ist verschwunden. Geblieben ist der Wald, in dem dieser Mensch (die Großmutter, meine „Oma“) täglich auf dem gleichen Weg spazieren ging. Ein Jahr nach dem Tod der Großmutter nahm ich erstmals eine Videokamera in die Hand und machte mich auf den Weg, ihren täglichen Spaziergang nachzugehen. 10 Jahre später wurde aus dieser spontanen Aktion ein künstlerisches Konzept. Ich beschloss, von nun an alle 10 Jahre den Weg abzugehen. Was sich dabei auf den Videos zeigt: alte Bäume verschwinden, neue treten an ihre Stelle; Wege von einst existieren nicht mehr, andere sind neu entstanden; selbst das Dorf, der Ausgangspunkt des Spazierganges, hat sich verändert. Was über die Jahrzehnte hinweg gleich bleibt: im ruhigen Gehen mit der Kamera löse ich mich in der umgebenden Natur auf, werde ganz sehendes Auge, wahrnehmender Körper – Wer geht diesen Weg eigentlich?
GUTER ORT – NUR DAS LICHT BLEIBT
Installation: Eichenholz, Metall, Beize, Lack, Lichtprojektion
Aus der Erinnerung wird der Fußboden eines Familien-Wohnzimmers (Wohnzimmer der Großmutter) so genau wie möglich nachgebaut, mit allen Nutzungspuren, die Menschen und Möbel darauf hinterlassen haben. Während Menschen, Möbel, Zimmer und Wände verschwunden sind, fällt warmes Licht durch ein ebenfalls verschwundenes Fenster. Oben: Installation im Ausstellungsraum mit bewegter Projektion des langsam wandernden Sonnenlichtes / Darunter: Gesamtansicht und Detail: ins Parket eingearbeitete Spuren.
RÄUMLICHE SITUATIONEN
Installationen: MDF, Holz, Teppich, Glas klar/semi- und intransparent, Neonlicht
Die unterschiedlichen Arbeiten kreisen um den Gedanken des Unzugänglichen, des Verborgenen: Was befindet sich hinter dem dunkelgrau mattierten Glas? Ein Raum? Warum ist er nicht zu betreten? Und was oder wer könnte sich darin befinden? Während die Arbeiten UNBEFRIEDIGENDE SITUATION (links/oben) und KAUM BESSERE SITUATION (Mitte) eine Mischung aus installativ gebautem Raum und dreidimensionalem “Bild” darstellen, erlaubt die Arbeit UNKLARE SITUATION FÜR ZWEI PERSONEN (mit hellgrau mattierter, leicht transparenter Glastrennwand) ein reales Betreten von beiden Seiten durch zwei Personen; unklar bleibt in diesem Fall kein Raum, sondern das reale Gegenüber.
BESTANDSAUFNAHME
Installation: MDF, Aluminiumprofile, Spiegel (u.a.)
In einem großen leeren Raum befindet sich eine Umkleidekabine. Darin die folgende Handlungsanweisung: “Geh allein in die Kabine. Verschließe die Tür. Zieh dich aus. Betrachte dich erst in dem ersten, dann dem zweiten, dann dem dritten und dann dem vierten Spiegel so lange du möchtest (mindesten 1 Minute lang). Ziehe dich wieder an. Die Bestandsaufnahme ist abgeschlossen.” Oben: Außenansicht der Umkleidekabine / Darunter: Innenraum mit Spiegeln. Jeder der vier Spiegel ist in einem anderen Quadranten der Kammer montiert. Spiegel 1 zeigt einen vertrauten Anblick, das Gesicht von vorne (ähnlich des Ausschnittes bei einem Passbild). Spiegel 2 zeigt eine ungewöhnliche Unterperspektive bei der alles, Gesicht und Gliedmassen, mit der Zeit rot zu werden und herabzuhängen scheint; man nähert sich dem Boden an. Spiegel 3 zeigt genau das Gegenteil, einen Menschen der nach oben strebt, zunehmend angestrengt und wie künstlich geglättet wirkend. Spiegel 4 (nicht abgebildet) zeigt den relative vertrauten Anblick von Vorne, diesmal vom Bauchnabel bis Scheitel. Nachdem man sich in Spiegel 1, 2 und 3 gesehen hat, wirkt der Anblick nun allerdings neu und unvertraut.
WARTERAUM
Installation: MDF, Holz, Kunststoff, Metall, Neonlicht, 2 Uhren, 16 Sitze, Sound u.a.
Ein langer Korridor führt in einen Warteraum, darin nichts außer einer Uhr, sowie Warteplätze und andere Wartende. Die Ausstellungsbesucher*innen nehmen Platz und verweilen eine beliebige Zeitdauer, bis sie den Warteraum durch einen ebenso langen Korridor auf der anderen Seite des Raumes verlassen. (Version oben: Warteraum ohne Korridor / Version darunter: Langer Korridor mit Warteraum.)
LYRISCHE SUITE / KAMMERSPIEL FÜR EINE FLIEGE
Video-Installation mit Live-Musik. Vier große Leinwände stehen im Quadrat frei aufgestellt im Französischen Dom, Berlin. Darauf zu sehen Videos; begleitet von live Musik; gespielt durch das Adamello-Quartett/Mitglieder des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin.
Die Lyrische Suit von Alban Berg ist eine der bekanntersten Kompositionen der Zweiten Wiener Schule. Die Musik mutet leidenschaftlich, dabei hermetisch, unzugänglich, phasenweise atonal an. Tatsächlich handelt es sich um “Programmmusik”: Das Stück erzählt mittels seiner Klänge und Melodien eine verborgene Handlung. Berg chiffrierte in ihr eine Liebesgeschichte. Als ich anfing das Stück zu hören, intensiv und immer wieder zu hören, war mir dies allerdings noch nicht bekannt. Vielmehr fing ich an, gemäß der von mir erlebten musikalischen Dramaturgie eigene Videobilder zu komponieren. In meiner Version wird eine andere Geschichte erzählt: Die einer Fliege, die über an vier Seiten eines großen Raumes (dem Innenraum des Französischen Doms, Berlin) aufgestellte Leinwände läuft, taumelt, fliegt und dabei immer wirrer, zorniger und verzweifelter wird. Bis ein Videobild ihr einen vermeintlichen Ausgang in Gestalt einer Landschaft zeigt. Bald allerdings wird klar: das immer grobkörniger werdende Landschaftsbild stellt nicht (allein) den Blick durch die Facettenaugen der Fliege dar, vielmehr beginnt es immer mehr seinen eigenen medialen Charakter als gefilmtes Videobild offen zu legen und in seine einzelnen Pixel zu zerfallen.
Die Arbeit wurde angeregt durch Jean-Luc Godards “Bilderbuch” sowie die Nachricht des unvermittelten Todes eines Menschen, die ich erhielt, während ich das Musikstück hörte und über eine künstlerische Arbeit für eine Ausstellung in einem Kirchenraum nachdachte.
HEIM 03
Installation: MDF, Holz, Teppich, Lampen, künstlicher Geruch (Putzmittel, Staub) u.a.
Oben: Heim 03 Außenansicht / Darunter: Innenansichten
Die Arbeit „Heim 03/Narrow house“ (Skizze: 2001/Realisierung: 2003) stellt eine Art verräumlichtes Psychogramm dar, die nervöse Unruhe eines Menschen, die sich in Form einer zu schmalen Wohnung ohne wirklichen Aufenthaltraum materialisiert hat. Der Aufbau erinnert an eine reale Wohnung, mit Wänden, Raufaser-Tapete, Türen, Teppichboden etc. – allerdings merkwürdig verfremdet. Die “Wohnung” besteht im Grunde genommen nur aus Raumanschnitten und einem einzigen langen, schmalen Korridor im Inneren, der wiederum in noch schmalere Korridore und Seitenkammern mündet. Einen Raum zum Verweilen gibt es nicht. Entlang der zentralen Achse ist zudem alles symmetrisch gespiegelt. Die Ausstellungsbesucher*innen stoßen auf Garderobennischen, die zu schmal sind um sie zu benutzen, auf Toilettentüren, die links und rechts des Mittelganges symmetrisch klemmen und quietschen, oder auf schwarze Fenster, die – obwohl im Innenraum befindlich – wie von außen zu sehen sind. Das räumliche Arrangement wirkt beklemmend auf seine Besucher*innen, bringt diese aber immer wieder auch zum Lachen.
Suburbia
Installation: Styropor, MDF, Holz, Lack, Videos, Sounds, Bildcollagen u.a.
Für viele Menschen bedeutet das „eigene Heim im Grünen“ einen Traum. Die Realität sieht oft anders aus. Die Installation befaßte sich mit dem „Leben in der Vorstadt“ in seinen unterschiedlichsten Facetten. Dazu wurde in einem Ausstellungsraum die kulissenhafte Fassade der Computervisualisierung eines Fertighauses nachgebaut. Durch einen Spalt an der Seite gelangte man in das Innere des Gebäudes. In diesem erwartete die Ausstellungsbesucher*innen eine fingierte Werbeausstellung, die mittels Schautafeln, Fotos und großformatigen Videoprojektionen das Leben in Suburbia bewirbt und dabei, en passant, unterschiedlichste Aspekte beleuchtete: historische Kontinuitäten (von der Eigenheim-Ideologie der Nazionalsozialisten bis in die Gegenwart); ökologische Problematiken (Zerstörung von Natur und Flächenversiegelung); traditionelle Geschlechterrollen (der Mann als Planer und „Häuslebauer“; die Frau als Mutter, Köchin, Putzfrau). Die Ausstellung bediente sich eines Collageverfahrens, indem umfangreiches Recherchematerial zum Thema gesammelt, teilweise thematisch gebündelt, teilweise bewußt dekontextualisiert wurde. Auch die Installation selbst, der Nachbau eines Fertighauses in Originalgröße, entlarvte sich beim Verlassen auf der Rückseite als dünnwandige, aus Styropor gebaute Kulisse.
KÜCHENOBJEKT
Objekt: Metall, Lack, Gummiprofil, Licht, Sound
Das Objekt ist weiß, metallisch, von ihm geht ein irritierender Summton aus, vergleichbar einem Tinnitus-Gräusch. Aus seinem Inneren dringt Licht. Der Deckel ist grifflos, ohne Scharniere, nicht zu öffnen.
Zimmer auf Zeit
Objekt: Styropor per Hand geschnitzt und Überschliffen / Installation: Dachlatten, Spannplatte, Lack, glatte Tapete (u.a.)
Die Arbeit Zimmer auf Zeit entstand während eines mehrmonatigen Aufenthaltes in London. Das Kopfkissen wurde per Hand mit Messer und Schleifpapier nach einem realen Vorbild aus Styropor gefertigt. Später, zurück in Deutschland, folgte die Matratze und weitere Utensilien, die während des Aufenthaltes eine Rolle gespielt hatten. Gezeigt wurde die Arbeit in einem eigens hierfür errichteten Raum, einer Art Container, der frei im umgebenden Ausstellungsraum steht. Im Inneren ist der Container mit Styropor verkleidet, die Wände weiß, der Boden hellgrau, um den unwirklichen Charakter der Szene, die wie aus einem seltsamen Traum oder einem schwarz-weiß Foto entnommen scheint, zu verstärken.